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100 Jahre Moser-Boutique in Prag

Die erste Moser-Boutique wurde 1925 im Erdgeschoss des Einkaufszentrums Černá růže in der Straße Na Příkopě in Prag eröffnet.

Auch ein Jahrhundert später befindet sie sich noch am selben Standort – und zählt damit zu den ältesten, durchgehend betriebenen Geschäften der Stadt. Zuvor hatte Moser seine Boutiquen ausschließlich in Kurorten wie Karlsbad, Marienbad und Franzensbad.

Die Moser-Boutique im Erdgeschoss des Einkaufszentrums Černá růže in der Na Příkopě im Jahr 1925. Auf dem Tisch stehen Vasen aus der „Fipop“-Serie, entworfen von Leo Moser. Sie waren in tiefen Farben gehalten, die einen starken Kontrast zu den oroplastischen Dekorationen bildeten. Quelle: Moser-Archiv

Damals war die Na Příkopě eine der prestigeträchtigsten Straßen Prags – mit luxuriösen Geschäften, Hotels, Banken und Cafés. Das gesellschaftliche Leben spielte sich auf dieser Flaniermeile ab, die als eine der Hauptadern der Stadt galt.

 Beschreibung: Roger Egon Ritter, Leiter des Moser-Geschäfts während der Ersten Republik. Quelle: Nationalarchiv

 

Im Jahr 1929 wurde Roger Egon Ritter Filialleiter der Prager Boutique und blieb in dieser Rolle bis 1938, als er in die USA emigrierte. Dieser überaus fähige und elegante Mann verstand es meisterhaft, mit Kunden umzugehen, und setzte neue Maßstäbe im Verkauf.
„Die Moser-Boutique in Prag wird von einer Vielzahl prominenter Persönlichkeiten besucht. Selbst die Diplomaten Prags scherzen, es sei ein Verstoß gegen das Protokoll, wenn man nicht auch bei Moser in Prag akkreditiert wäre.“
(Auszug aus der zeitgenössischen Presse.)

Im Jahr 1931 eröffnete Moser ein weiteres Geschäft – Bohemia–Moser – im neuen funktionalistischen Kaufhaus Kotva in der Revoluční-Straße. Dort wurden edles Porzellan aus Nová Role und luxuriöses Kristallglas von Moser gemeinsam zum Verkauf angeboten.

Die Moser-Boutique im Černá růže kurz vor der Erweiterung im ersten Stock. Das Schild über dem Eingang zur Passage verkündet: „Wir schließen die Boutique in der Kotva“. In den Schaufenstern liest man: „Bohemia–Moser demnächst hier“. Quelle: Moser-Archiv

Der Betrieb von zwei Geschäften in Prag erwies sich als schwierig. Daher mietete Moser 1934 die gesamte erste Etage über der ursprünglichen Ladenfläche im Erdgeschoss im Černá růže und eröffnete dort das große, gemeinsame Geschäft Bohemia–Moser.

Boutique-Innenraum in den 1920er- und 1930er-Jahren. Quelle: Moser-Archiv

 

Die erste Etage, die heute den historischen Teil der Boutique bildet, gehörte einst der Familie Bondy, einer angesehenen Unternehmerdynastie. Bohumil Bondy lebte hier mit seiner Frau Simonetta – die Initialen „BSB“ auf den Intarsien-Türen erinnern noch heute daran – und mit seinen Söhnen Otto und León. Die ursprünglichen Innenräume wurden zwischen 1884 und 1886 nach Plänen des Architekten Josef Fanta, eines engen Freundes der Familie, gestaltet und sind bis heute erhalten geblieben.

Bohumil Bondy gründete ein bekanntes Eisenwerk, war Präsident der Prager Handels- und Industriekammer, Mitglied des Prager Stadtrats und engagierte sich persönlich für den Ausbau des Eisenbahnnetzes in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, für den Bau des Prager Hafens in Holešovice sowie für das städtische Gaswerk. Er war zudem ein bedeutender Mäzen – Gründungsmitglied des Museums des Königreichs Böhmen (heute das Nationale Museum), der Sokol-Bewegung, des Nationaltheater-Bauausschusses und der Dampfschifffahrtsgesellschaft. Darüber hinaus spendete er großzügig für wohltätige Zwecke, sammelte Kunstwerke und unterstützte das Museum für Kunstgewerbe, indem er seine Sammlungen vermachte.

Aus dem Firmenkatalog von Elias Palme. Quelle: Moser-Archiv

Die Boutique wurde von prächtigen Kronleuchtern erhellt, die Roger Egon Ritter bei der Firma Elias Palme in Kamenický Šenov bestellte. Diese renommierte Marke belieferte auch weltberühmte Häuser wie die Mailänder Scala, die Königliche Oper in Rom, das Waldorf Astoria in New York sowie zahlreiche Paläste und Theater in Barcelona, Madrid, Berlin, Lissabon, Hamburg, Mumbai, Ottawa und Paris. Einige dieser imposanten Kronleuchter von Elias Palme schmücken die Moser-Boutique in Prag noch heute.

Im selben Gebäude, in dem sich die Moser-Boutique befand, war einst auch das berühmte Feinkostgeschäft Josef Lippert, das gerne von Filmstars wie Vlasta Burian besucht wurde.*

 

Die meisten geschäftlichen Kontakte zu diplomatischen Kreisen und Staatsoberhäuptern liefen über die Boutique Bohemia–Moser in Prag. Im Jahr 1936 stammte fast ein Viertel des gesamten Unternehmensumsatzes aus dem Verkauf im Prager Geschäft. Dann kam der Zweite Weltkrieg und stellte alles auf den Kopf – gefolgt vom Kommunismus im Jahr 1948. Leo Moser und Roger Egon Ritter entschieden sich, in den USA zu bleiben.

 František Chocholatý, Leiter der Moser-Boutique in Prag und Gründer des „Giant Snifters Club“. Quelle: Moser-Archiv

 

František Chocholatý war zweifellos die prägendste Persönlichkeit der Prager Boutique in der Nachkriegszeit. Er übernahm 1953 die Leitung und verstand es, die unterbrochenen geschäftlichen und gesellschaftlichen Kontakte wiederzubeleben – sowie neue aufzubauen.  Im Jahr 1957 gründete er den legendären „Giant Snifters Club“, dem zahlreiche prominente Persönlichkeiten beitraten: Mitglieder von Königshäusern, Staatsoberhäupter, Diplomaten, Filmstars, Musiker und Spitzensportler. Diese Initiative trug wesentlich dazu bei, den Namen Moser im In- und Ausland bekannter zu machen.

Das Geschäft Bohemia–Moser im Jahr 1974, als es Teil der Außenhandelsorganisation Tuzex war. Hier konnten Ausländer Kristallglas in Fremdwährungen kaufen. Quelle: Moser-Archiv

Im selben Jahr, in dem der Giant Snifters Club entstand, wurde auch das Außenhandelsunternehmen Tuzex gegründet, dem Moser später beitrat. Tuzex ermöglichte es Ausländern, in Fremdwährungen einzukaufen; das Sortiment bestand überwiegend aus tschechoslowakischen Produkten, unter denen luxuriöses Kristallglas zu den begehrtesten zählte.  „Viele Kunden legen auf ihrer Reise – oder sogar bei einem Zwischenstopp – einen Halt in der Boutique ein; drei Stunden Aufenthalt in Prag genügen, um auf die Na Příkopě zu fahren, einzukaufen und rechtzeitig zum Flughafen zurückzukehren,“ so berichtete die Presse 1968. Doch auch die einheimische Kundschaft blieb der Boutique treu und konnte hier selbstverständlich weiterhin in tschechoslowakischen Kronen bezahlen.

Die Moser-Boutique in der Na Příkopě verzaubert Besucher mit ihrem historischen Interieur – man fühlt sich, als würde man die Räume eines Palastes betretenFoto: David Švehla

Auch nach der Samtenen Revolution blieb die Moser-Boutique in Prag ein Synonym für luxuriöses, handgefertigtes Kristallglas.
Zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten besuchten sie – ein Blick ins Gästebuch belegt dies eindrucksvoll. So kam etwa Olga Havlová, die Frau des Präsidenten, gemeinsam mit Diana Sternberg, die ihr half, die Innenräume der Prager Burg und der Präsidentenresidenz in Lány neu einzurichten. Auch Karel Gott gehörte zu den treuen Kunden, ebenso wie Tennisspielerin Martina Navrátilová, Eiskunstläuferin Ája Vrzáňová und die französische Schauspielerin Catherine Deneuve. Ebenso besuchten Nachkommen von Leo Moser und der Familie Bondy die Boutique.

Auszüge aus dem Gästebuch der Moser-Boutique

„Ich bin zurückgekehrt in die wunderschöne Wohnung meines Urgroßvaters Bohumil und meiner Urgroßmutter Simonetta.
Es freut mich sehr zu sehen, wie liebevoll sie erhalten geblieben ist.“
(Ihre Gabriela Bondyová-Burke)

„Ich danke Ihnen von Herzen.
Sie haben meine Familie mit offenen Armen empfangen.
Ich freue mich auf den weiteren Kontakt.“
(Marua Forman, Enkelin von Leo Moser)

Bis heute wird sie regelmäßig von Staatsvertretern, Diplomaten, Künstlern, Sportlern und zahlreichen Bewunderern handgefertigten Glases aus aller Welt besucht.

Der Firmengründer Ludwig Moser „wacht“ bis heute über die Boutique.  Foto: David Švehla

 

 


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