Brotkrümelnavigation
- Startseite
- Über Moser
- Blog
- Leo Moser

Leo Moser
Moser ist berühmt für seine atemberaubenden Farben, die besonders in handgeschliffenem Glas zur Geltung kommen. Farben, deren Nuancen sich je nach Sonnenlicht oder künstlicher Beleuchtung und deren Intensität verändern. Diese Farben verdankt die Glashütte Leo Moser. Während seines langen Lebens erlebte er Höhen und Tiefen – und auch den Kampf um sein nacktes Überleben.
Neunter von zehn
Leos Vater, Ludwig Moser, der Gründer der Glashütte, hatte aus zwei Ehen insgesamt zehn Kinder. Leo war sein vorletztes. Er wurde am 1. Juni 1879 in Karlsbad geboren, seine Mutter Julia war Ludwigs zweite Frau, die Tochter des örtlichen Arztes. Schon als Kind beobachtete Leo seinen Vater bei der Arbeit in seiner Gravurwerkstatt.
Leo Moser mit seinem älteren Bruder Gustav (um 1885)
Fasziniert vom Glas
1893 ließ Ludwig Moser im Viertel Dvory, am Stadtrand von Karlsbad, seine eigene Glashütte errichten. Leo war damals 14 Jahre alt, und verbrachte den größten Teil seiner Freizeit an diesem Ort. Häufig besuchte er die Öfen, wo er beobachtete, wie das geschmolzene Glas vorbereitet wurde, wie die Glasbläser es auf ihre Blasrohre nahmen und in unterschiedlichste Formen bliesen.
Er beobachtete auch die Formhersteller, die Gussformen von Hand aus Buchen- und Birnbaumholz herstellten, und spähte unter die Schablonen der Designer, die neue Vasen, Gläser und Karaffen skizzierten. Als er 18 wurde, nahm ihn sein Vater mit zur Weltausstellung in Brüssel, wo er mit eigenen Augen die Glaskreationen aus aller Welt sah. Er schwor sich, dass die Produkte aus der Glashütte seiner Familie sich ihren Platz dort erobern würden.
Drei Jahre später, im Jahr 1900, besuchte er die Weltausstellung in Paris, wo die Glashütte Moser alle Anwesenden mit leicht eingefärbten Jugendstil Vasen mit floralen Gravuren begeisterte.
Paula
Leo lebte für das Glas, verfolgte weltweite Trends und führende Designer und interessierte sich für die Entwicklung von farbigem Glas. Mit dem Vertrauen seines Vaters übernahm er 1908, im Alter von 29 Jahren, die technische Leitung der Glashütte. Vier Jahre später heiratete er die 22-jährige Paula Münsterová, über die wir leider nur wenig wissen. Sie wurde in Mailand geboren, uns ist aber nicht bekannt, wie sich die beiden kennenlernten.
Sie lebten zusammen in Karlsbad, wo ihre Tochter Lya 1916 und ihr Sohn Thomas 1920 geboren wurden. Heute lebt Paula als bleibende Erinnerung weiter – die bekannteste der Jugendstil Glasserien von Moser ist nach ihr benannt. Die Glashütte produziert sie seit 1902, ursprünglich unter dem Namen „Rose“. Sie ist eines von Mosers größten Meisterwerken: handverziert mit Gravuren von Rosenstielen mit Blättern und Blütenknospen, vergoldeten Gravuren von zwei ineinander verschlungenen Ranken mit Blättern und Dornen sowie sechs Facetten im Stiel der Gläser. Dank ihrer zeitlosen Schönheit ist die Kollektion ”Paula” auch bei Königin Camilla, der Ehefrau von König Charles III. von England, sehr beliebt.
Paula Moserová (Münsterová)
Nachfolger seines Vaters
1916, während der intensivsten Phase des ersten Weltkriegs, verstarb der Gründer der Glashütte, Ludwig Moser, im Alter von 83 Jahren. Leo Moser übernahm die künstlerische Leitung der Glashütte und behielt gleichzeitig seine Position als Technischer Leiter. Seine Brüder Richard und Gustav wurden ebenfalls Miteigentümer. 1919 sicherte sich Leo ein Patent für „Oroplastique“ – ein Verfahren zur Ätzung, Vergoldung und Politur von Dekorationen, bei dem Achat und Kreolin zur Verzierung von Trinkgeschirr, Vasen und Schalen verwendet werden.
Splendid drinkware collection with gold oroplastic
1921 ließ der 42-jährige Leo Moser das Gebäude der Glashütte renovieren. Projektleiter war der 39-jährige Architekt Rudolf Wels, Schüler und Mitarbeiter von Adolf Loos. Die rekonstruierte Glashütte, die zu dieser Zeit 1000 Menschen beschäftigte, wurde die größte und modernste Glashütte der Tschechoslowakei. Rudolf Wels, selbst ein talentierter Designer, ließ sich mehrere Jahre in Karlsbad nieder und entwarf Vasen und Schalen für Moser mit eigenen oroplastischen Dekorationen (z. B. die Serien Animor und Hyalith).
Vase Animor
Nach Edelsteinen benannte Farben
Leo Moser wollte etwas Neues anbieten und sah eine Chance in farbigem, geschmolzenem Glas. Er interessierte sich sehr für dessen Entwicklung und initiierte den Prozess selbst. Im Corning Museum of Glass, dem größten amerikanischen Glasmuseum, wurden Leos Notizbücher, in denen er seine Versuche zur Herstellung neuer Farbgläser dokumentierte, sorgfältig aufbewahrt.
Er arbeitete außerdem mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin und des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Silicatforschung in Berlin zusammen. Seine Notizen und Korrespondenzen zeigen, dass der Weg zur Entdeckung neuen Schmelzglases alles andere als einfach war. Nach zahlreichen Testschmelzen, Versuchen und Fehlschlägen gelang ihnen jedoch ein erstaunliches Ergebnis.
Sie entwickelten Glas, das mit seltenen Erden versehen und von Leo Moser nach Edelsteinen und Halbedelsteinen benannt wurde. Die Kristallprodukte aus diesem Glas zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Töne und Reflexionen sich ständig, je nach Art und Intensität des Lichts, verändern. Tatsächlich veranschaulicht die Ausstellung „Brilliant Color“ im Museum of Glass in Corning die verschiedenen Farbtöne (HIER), die je nach Lichteinfall auf eine von Leos Farben, z. B. Alexandrit, erzielt werden können.
Amy J. Hughes, Autorin einer Studie über Leo Moser, schrieb: „Er überarbeitete die Produktlinien, schuf neue Glasformen, die die Trends und Stile jener Zeit widerspiegelten, und veränderte damit die künstlerische Fertigung des Unternehmens. Er übernahm Designelemente im Art-Déco-Stil, wie ausgeprägte Farben und Formen, die Bewegung, Geschwindigkeit und Dynamik ausdrücken.“
Beispiele der Moser Farben, die Leo Moser mit ins Exil nahm. Später schenkte er sie dem Museum of Glass in Corning, USA.
Kampf ums Überleben
Wie bei so vielen anderen wurde auch Leos Leben durch den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg völlig auf den Kopf gestellt. 1938 schickte er seine Frau und seinen 18-jährigen Sohn Thomas in die USA und floh später gemeinsam mit seiner 22-jährigen Tochter Lya nach Frankreich, wo er als technischer Berater bei den Cristalleries in Saint-Louis tätig war. Unter dramatischen Umständen musste er schließlich ebenfalls in die USA fliehen.
Sie segelten am 15. Januar 1940 in Marseille los, woraufhin sie eine Reise voller Entbehrungen auf dem Schiff „Alsina“ erwartete. Der Historiker Mečislav Borák dokumentierte diese Ereignisse, und dank seiner Aufzeichnungen wissen wir, dass auch andere Juden aus der ehemaligen Tschechoslowakei an Bord waren. Dazu gehörten beispielsweise Karel Roth, Geschäftsführer von „Filip Haas and Sons“, die das älteste Kaufhaus in Prag besaßen, das sich zufällig in der Nähe des Moser Flagship Stores am Na Příkopě befand, sowie Jan Sborowitz und seine Familie, die ehemaligen Besitzer eines bekannten Textilunternehmens in Prostějov, Max Melzer, Miteigentümer einer Konservenfabrik in Žatec, mit seiner Frau und Tochter, und die 18-jährige Eliška Löw-Beer aus der bekannten Textil Industriellenfamilie von Brünn.
Das Schiff wurde an mehreren Stationen aufgehalten, zuerst über vier Monate im Hafen von Dakar und dann in Casablanca, wo der Großteil der Passagiere in Internierungslagern unter katastrophalen hygienischen Bedingungen und weit verbreiteten Krankheiten untergebracht wurde. Leos Frau Paula unternahm von den USA aus enorme und verzweifelte Anstrengungen, um den Flüchtlingen zu helfen. Sie setzte sich überall für sie ein, kontaktierte internationale Organisationen, Diplomaten und prominente Politiker und bat sogar die Frau des Präsidenten, Eleanor Roosevelt, um Hilfe.
Leo Mosers Passantrag
Lya Moserová, Tochter von Leo Moser
Rudolf Wels
Leo Moser und seine Tochter Lya hatten das Glück, schließlich nach Amerika zu entkommen. Rudolf Wels, der Architekt, der auf Leos Wunsch die Renovierung der Glashütte übernommen sowie Glasprodukte für die Marke entworfen hatte, schaffte es nicht rechtzeitig in Sicherheit. Er, seine Frau Ida und ihr 19-jähriger Sohn Martin wurden im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in einer Gaskammer im Rahmen einer sogenannten „Familienlager“-Aktion in der Nacht vom 8. auf den 9. März 1944 ermordet.
Während dieser unvorstellbaren Nacht töteten die Nazis 3.792 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Dies war die größte Massentötung von Tschechoslowaken während des Zweiten Weltkriegs.
Leo Moser hatte das Glück, ein langes Leben zu führen. Er verstarb am 28. November 1974 im Alter von 95 Jahren in New York .
Stolpersteine der Familie Wels (Prag, Letná)